(http://t1.gstatic.com/licensed-image?q=tbn:ANd9GcStLFiAwFte3Qy2n1dZM_IZddTGtitiXzKrZROL-Y1aLgUBXx1Mkc_jnUtnf4Vt)

 

Ach ja, der Leanderturm am Bosporus. Was war das für ein letzter schöner Sonnenuntergang, als wir den Sprung von Europa nach Asien gemacht haben. Es war zwar eher ein großer Schritt, den wir machen mussten, um im Stadtteil Besiktas vom Steg auf die Fähre nach Fenerbahce zu gelangen. Dort eingestiegen, befestigten wir unsere Fahrräder und wechselten mit dieser Schiffsfahrt nicht nur von der einen Seite Istanbuls zur anderen, wir wechselten nicht nur die Stadtteil- und Vereinsfarben von schwarz-weiß zu gelb-blau…..was uns am meisten faszinierte: Wir wechselten mal eben den Kontinent und schipperten gerade aus Europa heraus, direkt auf den asiatischen Teil Istanbuls zu.  Damit wechselten wir zum ersten Mal seit „Emil on tour“ gegangen ist den Kontinent. Was für ein berauschendes Gefühl. Wir schipperten in das nächste Kapitel unserer „um-die-Welt-Geschichte.“

Nach einigen Tagen und 731 KM durch das Gebiet um Ankara, einigen Dönern und viel frischem Salat, kamen wir am Schwarzen Meer an. Wir machten einen kurzen Stopp in Samsun und waren froh, dass es dort einen gut sortierten Fahrradladen gab, denn wir mussten uns mit neuen Ersatzschläuchen versorgen. Der ein oder andere Plattfuß hatte uns auf unserer bisherigen Reise bereits heimgesucht. Das ist mittlerweile kein Problem mehr für uns. Wir helfen uns gegenseitig und sind recht flott im Reparieren geworden. Wenn jedoch ein Flickstück über einem Flickstück über einem Flickstück klebt, dann wird es kniffelig.  

(https://thumbs.dreamstime.com/b/sahinkaya-schlucht-nahe-zu-vezirkopru-bezirk-samsun-stadt-die-t%C3%BCrkei-77874498.jpg)

 

 

 

(http://www.radundfuss.de/wp-content/uploads/2016/10/Reifenpanne-in-Prag.jpg)

Die Bergetappe von Samsun hat in vielerlei (Hin-) Sicht für die vielen Strapazen entschuldigt. Es ist in solchen Momenten einfach schön, miterleben zu dürfen, wie unterschiedlich eine Gruppe von Menschen immer wieder drauf ist. Bei dieser kräftezehrenden und intensiven Tour gab es immer wieder viel Gejammere oder Diskussionen, aber in solchen Momenten, in denen wir etwas geschafft oder (einen Aussichtspunkt) erreicht hatten, konnten alle die angenehme und behagliche Stille voller Stolz genießen. Die Türkei verabschiedend, steuerten wir nun unsere Drathesel in Richtung Georgien und einer unserer Gruppe meinte: „Diese Radtour ist turbulenter als jede Achterbahn.“ „Apropos Achterbahn“ hörte ich plötzlich hinter mir……

(https://thumbs.dreamstime.com/b/georgia-transcaucasia-traveling-wandering-journey-georgia-november-transcaucasia-traveling-wandering-journey-113142151.jpg)

 

Dieser Abstecher hatte sich gelohnt. Einige aus unserer Gruppe wollten unbedingt, nachdem wir die Landesgrenze in Georgien überschritten hatten, nach Tiflis. Wenn man schon durch dieses bergige Land fährt, könne man doch auch die Hauptstadt besuchen, zumal es dort einen Vergnügungspark gäbe. Vergnügungspark – allein das Wort ließ alle Kritiker verstummen. Wir waren uns direkt einig, dass wir bei all den gestrampelten Kilometern den Ausflug in den „Mtazminda Vergnügungspark“ definitiv verdient haben. Allein die Aussicht vom heiligen Berg, das ist die Übersetzung von Mtazminda, ist großartig. Auf einem Riesenrad, 770 m über der Stadt zu gondeln ist darüber hinaus ein Mega-Erlebnis.

 

Nach diversen Achterbahnbesuchen waren wir am nächsten Tag etwas wackeliger auf unseren Fahrrädern. Half ja alles nix, wir mussten weiter. Moskau war unser nächstes Etappenziel und diese 1979 KM dorthin radelten sich ja nicht von alleine. Nachdem wir am Schwarzen Meer schon ausgiebig Seeluft genossen, aber auch mit Gegenwind strampeln mussten, entschieden wir uns, das Asowsche Meer „links liegen zu lassen“ und auf direktem Weg Moskau anzusteuern. Die Berge, die wir auf unserer Strecke durch Georgien erkraxeln mussten, waren anstrengend genug. Ganz schön außer Puste, in Moskau angekommen, passte unsere Gesichtsfarbe sehr gut zu dem berühmten Platz mit seinen berühmten Kirchtürmen und historischen Gebäuden. Beides war rot: Unsere Wangen und natürlich der Name des großen und bekannten Platzes, an dem sich unter anderem der Kreml und die beeindruckende Basilius Kathedrale befinden. Da es an diesem Tag bewölkt war, waren nicht so viele Menschen wie gewöhnlich unterwegs. Moskau ist eine unglaublich riesige Stadt, in der 15 Millionen Menschen leben und arbeiten.

(https://reise-und-urlaubsziele.de/artikel/863/863-1549267573-3.jpg)

 

Unruhig war es dennoch die meiste Zeit. Nachts haben wir kaum ein Auge zu bekommen. Lag es an den russischen Volksliedern, die besonders gerne ab Mitternacht und laut gegrölt wurden oder einfach daran, dass eine Großstadt wie Moskau irgendwie nie zur Ruhe kommt. Unsere Jugendherberge hatte jedenfalls viele feierwütige Gäste und ab 4 Uhr morgens konnte man die Kehrwagen und Müllabfuhren zu deutlich durch die Gassen rattern hören.

(https://ak.picdn.net/shutterstock/videos/2879710/thumb/1.jpg)

 

Unser nächstes Etappenziel durfte daher ruhiger sein. St. Petersburg, von vielen Menschen auch als „Venedig des Nordens“ bezeichnet, war ebenfalls sehr groß. Aber die Stadt, von Peter dem Großen gegründet, zeigte sich eher von einer chilligen und einladenden Seite. Auf einer spontan gebuchten Bootsrundfahrt sahen wir uns nicht nur die wunderbaren Kathedralen an, sondern stärkten uns mit einer leckeren Portion Piroschki. Diese kleinen gebratenen Brötchen werden auf verschiedene Weise gefüllt. Die deftige Variante enthält von Rindfleisch über Gemüse, Kartoffelpüree oder Kohl bis hin zu Lachs auch Pilze. Die süßen Sorten enthalten Marmelade, Früchte wie Äpfel, Pflaumen und Kirschen oder Milchprodukte wie Quark oder Hüttenkäse. Wenn man sich mit mehreren Leuten zusammen welche kauft und die Brötchen mischt, ist es fast wie bei Harry Potter und „Bertie Bott’s Bohnen“ – man weiß nie was man bekommt.

(https://images.musement.com/default/0002/06/thumb_105140_default_header.jpeg)

 

Mit unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen gestärkt, machten wir uns auf den Weg, zum Lakhta-Tower, dem größten europäischen Wolkenkratzer. Einige Jungs aus der Gruppe wollten unbedingt diesen Turm und vor allem die Aussicht von dort erhaschen. Wir sind dort hin, weil einige „einmal im Leben hoch hinauswollten!“

(https://live.staticflickr.com/65535/47934720652_9b82b0f4a0_b.jpg)

 

Unsere nächste Station, die Stadt Nowosibirsk, die auch als das Tor zu Sibirien bezeichnet wird, ist bei vielen Russen und Urlaubern als Eisenbahnattraktion bekannt. Von hieraus startet die Transsibirische Eisenbahn in die weiten Landschaften Ostrusslands. Die nächsten Kilometer mit dem Zug zu verbringen war eine große Verlockung, aber unser Ziel: „Mit dem Rad um die Welt“ wurde nur für Sekundenbruchteile in Frage gestellt. Dafür haben wir bisher schon zu viel erlebt und genug Power auf unserem Gepäckträger.  Also ließen wir, statt der Eisenbahn, Dampf ab und radelten weiter, immer weiter durch den sibirischen Teil Asiens und wenn die Beine schwer wurden oder jemand quengelte, munterten wir uns gegenseitig mit einem innbrünstig gerufenen „Tuff Tuff!“ wieder auf.

   

(https://bilder3.n-tv.de/img/incoming/origs6810146/6612533425-w1280-h960/7517008.jpg)

Entlang des Baikalsees zu fahren war einfach traumhaft. Man sieht dem See weder sein hohes Alter (mehr als 25 Millionen Jahren) noch diese unglaubliche Tiefe (1642 Metern) an. Am wasserreichsten Süßwassersee der Erde direkt am Ufer zu campen und diese herlich klaren Sternennächte zu erleben, das zauberte allen Radlern ein fettes Grinsen ins Gesicht – auch wenn es nachts noch heftig kalt war.

(https://www.marcopolo.de/fileadmin/_processed_/3/3/csm_Baikalsee-thinkstock_90015426b2.jpg)

Schließlich träumten wir von der russisch-sibirischen Steppe und erreichten die Mongolei.  Die Mongolen sind als ein reitendes und oftmals kämpfendes Volk bekannt. Weil sie damals viel und schnell unterwegs waren, sagt man ihnen nach, dass sie die Erfinder der Wok-Küche sind. Fakt ist jedenfalls: Das mongolische Essen war köstlich, abwechslungsreich und leicht. Die Nudelpfanne lieferte zudem wichtige Kohlenhydrate für unseren Energiehaushalt. Wenn man sich auch sprachlich nicht unbedingt gut verständigen konnte, war der nonverbale Austausch mit diesen überaus freundlichen Menschen eine wohltuende Zugabe zu ihren herrlichen Speisen. Und das nicht nur in den ländlichen Regionen, sondern auch in der Hauptstadt des Landes, Ulaanbaatar.  

(https://img.freepik.com/photos-gratuite/saute-boeuf-mongol-traditionnel-chinois-dans-wok-chinois-fonte-baguettes-cuisine_101123-216.jpg?size=626&ext=jpg)

 

Eigentlich wollten wir uns von den freundlichen Mongolen und dem köstlichen Essen nicht mehr trennen, aber das nächste spannende Etappenziel rief bereits nach uns: Peking. Entlang der Chinesischen Mauer beziehungsweise in Sichtweite dieses monumentalen Bauwerks radelten wir also von der mongolischen zur chinesischen Hauptstadt. Früher war dies die unübwindbare Grenze zwischen diesen beiden Ländern. Für uns war es nun ein Kilometermultiplizierer, denn „auf der Mauer auf der Lauer fährt ein kleiner Emil“ ging leider nicht. Weswegen unsere geplanten 3111 KM mauermäßig immer wieder mal verlängert wurden. Die Aussicht hat jedoch alles wieder ausgeglichen. (https://cdn.urlaubsguru.at/wp-content/uploads/2019/03/shutterstock_1140071570.jpg)

 

Wir erreichten schließlich Peking, sahen zwar keine Enten, aber eine unglaublich faszinierende, große Großstadt. Auf der einen Seite ließen wir uns vom alltäglichen, hektischen Treiben dieser Menschenmassen mitziehen. Wir bewunderten, wie sich die Chinesen auf dem Weg zur Arbeit durch den Großstadtdschungel bewegten. Peking hat sowohl moderne, architektonisch herausragende Bauwerke, wie das „Vogelnest“ (Olympische Stadion) oder den „Wasserwürfel“ (Schwimmstadion), beeindruckende Wolkenkratzer und faszinierende Brücken. Der andere Teil Pekings war für uns aber noch spannender: Die historischen Gebäude, die großen Plätze und die grünen, idylischen Parkanlagen, in denen Menschen jeden Alters ihr Zeit mit Spaziergänge oder Tai Chi energiegewinnend verbrachten.

 

(https://article.images.consumerreports.org/f_auto/prod/content/dam/cro/news_articles/health/CR-Health-AH-Healthy-Tai-Chi-in-Park-03-16)

 

 

 

 

Die lange Geschichte des Kaiserreiches war hier an jeder Ecke zu spüren und erfuhr ihren Höhepunkt beim Besuch der genehmigten Tour durch die „Verbotenen Stadt“. Ergreifend.

(https://thumbs.dreamstime.com/b/leute-die-september-das-palast-museum-verbotener-stadt-peking-china-besichtigen-109109502.jpg)

 

Von Peking ging es schließlich weiter Richtung Nordkorea. Pjöngjang, die Hauptstadt Nordkoreas, zeigte sich für uns überraschend offen. Zunächst hatten wir das Gefühl, an jeder Ecke einem Kim Jong-Un zu begegnen, der unsere Fahrräder beschlagnahmen könnte, um damit Raketen bauen zu können. Unsere Meinung, vielmehr unsere Haltung, gegenüber den Koreanern aus dem Norden änderte sich sehr schnell. Wir trafen, wie im Grunde genommen überall auf unserer Reise, sehr (gast-) freundliche, höfliche und auch meist hilfsbereite Menschen. Das war die schönste Lektion bei unserer Tour: Wenn Du den Menschen offen und unvoreingenommen begegnest, öffnen sich manche Türen und vieles ist möglich. Ein Lächeln war auf jeden Fall immer drin.

Die Koreaner im Süden des anderen Landes waren genau so freundlich wie ihre ehemaligen Landsleute aus dem Norden. So erreichten wir zwar mit viel Wadenmuskelkater endlich Busan, eine größere Stadt im Südosten Südkoreas, waren aber aufgrund der letzten Tage auf einer entspannten Route mit entspannten Menschen einfach nur …tiefenentspannt. In den Abendstunden begann für uns am Hafen von Busan eine kleine Zaubershow. Die Lichtspiele einer Großstadt haben schon ihren besonderen Charme. Da können unsere Fahrradlampen definitiv nicht mithalten.

 

(https://blog.travelhouse.ch/wp-content/uploads/g_____________________132890-680×4541-680×454.jpg)

Von Busan ging es für uns erstmals seit länger Zeit, ohne in die Pedale treten zu müssen, weiter. Mit einem alten Kahn schipperten wir die 250 KM von Busan nach Fukuoka und betraten somit japanischen Boden. Von Fukuoka machten wir uns auf unseren Weg nach Osaka. In Hiroshima legten wir einen Zwischenstopp ein. Auf diese Stadt wurde 1945 von der USA eine atomare Bombe geworfen. Viele stehengelassene Gebäude erinnerten stumm und mahnend an diese schreckliche Tat. Still war es auch in den städtischen Parks, die den Japanern als Ruheoasen dienten und von vielen Menschen in Anspruch genommen wurden.  

(https://blog.japanwondertravel.com/wp-content/uploads/2020/10/5-shukkeien-1536×1020.jpg)

 

Von Hiroshima ging es schließlich weiter nach Osaka. Unser ständiger Begleiter war dabei der Berg Fuji. Mit seiner weißen Krone konnte man ihn zwar aus kilometerweiter Entfernung noch gut sehen, man hatte dabei aber immer das Gefühl, nicht voranzukommen. Irgendwann erreichten wir schließlich das Zentrum von Osaka. Dotonbori – ein wirklich verrückt bunter Stadtteil wollte uns mit seinen vielen beleuchteten Kasinos, Bars und Diskos locken, aber wir waren zu müde und konnten den Lichtern der Stadt widerstehen.

(https://th.bing.com/th/id/OIP.lPDqn-fvgDX6rwZw2wBpRwHaE7?pid=ImgDet&rs=1)

 

Wenn in dieser Zeit jemand aus der Gruppe eine Reifenpanne hatte, fragten alle sofort: „Ist dein Rad jetzt futschi?“ ….nur wer dabei war, wird dies wohl witzig finden. Ein Wort noch zu unseren Abendlagern und Zusammenkünften mit Menschen aus aller Welt. Meist schliefen wir in Jugendherbergen oder anderen Gruppenräumen. Das hatte den Vorteil, dass wir immer zusammenbleiben konnten. Dadurch lernten wir jedes Mal Menschen kennen, die individuell und auf ihre eigene Art reisen wollten. Dies waren keine Pauschaltouristen, sondern Leute mit einem Blick für ihre Umwelt. Von einigen wurden wir, als sie von unserer Weltumrundung erfuhren, liebevoll und anerkennend als „cracy german bikers“ betitelt. Dies war meist der Einstieg in eine herrliche Plauderrunde mit netten Menschen aus der ganzen Welt, die zuhören konnten und was zu erzählen hatten. Wir konnten mittlerweile auch einige Geschichten zum Besten geben. Wenn man sich in so einer gemütlichen Unterkunft trifft und austauscht, möchte man eigentlich gar nicht mehr weiter und diese Momente für immer anhalten.

(theinnbox.co/the-best-airbnbs-in-tokyo-japan/)

Unsere Reise musste jedoch weitergehen. Unser Besuch in Kyoto im Nintendo Museum war für die Zocker unter uns das besondere Highlight. Teilweise standen sie minutenlang mit glasigen Augen vor den Vitrinen und stammelten nur „Mario, Mario…“

(http://blog.beforemario.com/2012/12/nintendo-museum-exhibition-osaka-2007.html)

Asien wollte sich spielerisch von uns verabschieden und nach einem leckeren japanischen Abendessen mit viel Reis und Sushi waren wir bereit, diesen riesigen Erdteil mit all seinen schönen und vielseitigen Eindrücken zu verlassen und planten unser nächstes Kapitel mit dem Flug nach Australien.

(M. Bier)