Kafka und die Deutungsvielfalt

Mit Kafkas Prozess verlässt der Deutsch Leistungskurs die Grundprinzipien hermeneutischer Literaturwissenschaft. Wir fragen uns nicht, was der Autor und aus seiner Zeit heraus sagen wollte, sondern ergründen vielmehr im Sinne des Dekonstruktivismus, was wir mit unseren Hintergründen in den Text hineinlesen können. Wir lassen also den Autor nach Barthes „sterben“ und entdecken die wahrhaft große Deutungsvielfalt des Werkes. In einem Tafelbild werden die einzelnen Themen, auf die die Schüler dabei treffen festgehalten: „Der Mensch und“ seine Sexualität, seine Familie, seine Stellung in der Gesellschaft, seine Passivität, seine Individualität, seine Konformität, seine Moral…und viele mehr. Dazu verfassen nun die Schülerinnen und Schüler eigene Parabeln im Stile Kafkas, die in einem Reader mit dazu passenden Skizzen und Zeichnungen zusammengefügt werden. Die Schüler leisten Großartiges und erkennen, dass man sich Literatur aktiv erlesen muss, ebenso wie man (nach Kafka) ein aktiv gestaltender Protagonist des eigenen Lebens und der Gesellschaft sein sollte. (EWL)

Der Mensch und sein Gewissen

Seine Augen drehen sich. Alles ist verschwommen. Sein Blick ist zielgerichtet und fixiert. Er blickt hinein, hinein in die weite Tiefe. Er lässt sich fallen und taucht hinein. Sein Blick ist starr. Da erkennt er in Mitten des weißen Raumes einen Punkt. Er fixiert diesen Punkt. Alles um diesen Punkt herum blendet er aus. Seine Augen liegen auf diesem schwarzen Punkt, in Mitten des weißen Raumes. Seine Atmung verlangsamt sich. Er konzentriert sich ganz allein auf diesen einen Punkt, welcher ihm trotz der großen Ferne nun immer näher erscheint. Er blinzelt. Seine Augen gewöhnen sich langsam an das grelle weiße Licht. Trotz alle dem verlieren sie den schwarzen, nun schon immer größer werdenden Punkt, nicht. Seine Atmung wird immer sachter, sodass er nicht mehr glaubt, dass es sein Herzschlag ist den er hört sondern Schritte. Es sind schwere, sich schleppende, große Schritte. Er blinzelt noch ein zweites Mal – als sich seine Augenlieder schließen holt er tief Luft – als diese sich nach einer Sekunde wieder öffnen erschreckt er. Der Punkt der sich nun genau vor ihm befindet, ist kein Punkt. Es ist… er kann den Umriss nicht gleich deuten. Er kneift seine Augenlieder zusammen und nun sieht er ihn. Es ist ein Mann. Ein junger Mann, seines Alters. Ein großer, dunkel gekleideter Mann. Das Gesicht des Mannes ist gezeichnet, er hat dunkle Schattierungen unter den Augen und seine Augen selbst sind tief und leer. Er sieht dem Mann in die Augen und es ist als würde er sich in sich selbst verlieren. Er sieht dass die Augen des Mannes eine Geschichte erzählen. Als er tiefer in sie hinein blickt, sieht er den Mann. Der Mann sitzt in einem Auto. Neben ihm auf dem Beifahrersitz sitzt eine Frau, die lauthals schreit und bittet, schneller zu fahren. Sofort fährt er schneller als erlaubt und biegt in eine Straße ein. Und da geschieht es. Das Auto prallt mit einem Kind zusammen. Doch anstatt dem Jungen zu helfen, begeht der Mann Fahrerflucht. Er sieht wie der Mann mit seinem Auto vor einem Krankenhaus hält. Kurze Zeit später trägt das Ehepaar einen kleinen Sohn auf ihren Armen. Ihm wird schnell bewusst, dass der Mann das Leben des fremden Kindes opferte, um das Leben seines eigenen Kindes zu retten.

Das Schicksal des Mannes spielt sich vor seinem inneren Auge ab.

Da hört er die Stimme seines Sohnes: „ Papa wir müssen“. Er blickt auf, wendet sich von seinem Gewissen ab und geht von dem Spiegel zurück zu der Tür. Das Leben hat ihn wieder eingeholt.

Marie Gröls

 

Ein „alter Schinken“ mal ganz kreativ

Im Zuge der Lektüre von Goethes Faust im aktuellen Deutsch-LK der Q1 setzen sich die Schülerinnen nicht nur mit methodischen Schritten der Textanalyse und Erörterungsfragen auseinander. Sie schaffen sich auch interpretatorisch einen ganz individuellen und kreativen Zugang zum Text, indem sie Collagen, Zeichnungen und Gemälde entwerfen, die Fausts isolierte Stellung als hochgelehrte Persönlichkeit inmitten des brummenden Lebens der Gesellschaft auf dem Marktplatz aufzeigen sollen. Schnell wird klar, dass man dem „alten Schinken“ Goethes auch heute noch aktuelle Themen abgewinnen und Bezüge zur Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler herstellen kann. Denn leider sind die Themen der inneren und äußeren Ab- und Ausgrenzung immer wieder Realität. Auch das Unzufriedene, die Unruhe und Rastlosigkeit Fausts können die Jugendlichen mithilfe des kreativ assoziativen Zugangs gut nachempfinden. Des Weiteren werden aber auch die mephistophelischen Versuchungen deutlich und die nicht nur positiven Einflüsse, die die Gesellschaft auf ein Individuum haben kann. Anbei einige schöne Schülerarbeiten, unter anderem von Kaya Bottenberg und Julia Henning. (EWL)

 

 

„Frau Ewald, wir haben sogar ein lyrisches Element eingebaut!!“

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Mit großer Begeisterung arbeitet die Klasse 7c gerade im Deutschunterricht am Thema Balladen. Im Zuge der Reihe wurde betont, dass Balladen stets epische, lyrische und dramatische Elemente aufweisen. Um dies zu verdeutlichen wurden bereits HipHop-Vertonungen gehört und Balladen skandiert. Nun sollte in der Doppelstunde am 09.06.2016 die Ballade „Der Handschuh“ von Friedrich Schiller szenisch interpretiert werden. Dazu mussten die Schüler zuhause aus dem Original ein Bühnenstück verfassen, in der Gruppe dann eine Inszenierung auswählen und anschließend im Plenum präsentieren. Eifrig machten sich die Schülerinnen und Schüler ans Werk und brachten sogar Requisiten mit, mit denen sie die Szenen untermalen wollten. In der Ballade lässt ein Edelfräulein seinen Handschuh in eine Kampfarena mit wilden Tieren fallen und drängt den in sie verliebten Ritter dazu, ihn ihr wieder herauszuholen, um dessen Liebe unter Beweis zu stellen. Der Ritter erfüllt die Mutprobe, will aber fortan nichts mehr mit dem Fräulein zu tun haben. Eindrücklich machte dies der Text von Fabian Kalenborn klar, der mit den Worten endete: „Auf so einen Mist habe ich keine Lust!“. Domna Togusidou brachte einen weißen Damenhandschuh mit, auf dem Alina Zupko ausdrucksstark herumstrampelte, um des Ritters Abscheu über die Willküraktion zu verdeutlichen. Musikalisch untermalt wurde die Szenerie von Manuel Franc-Werres, der im Handy nach Tierschreien und Musik gesucht hatte.

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Larissa Nimtz hatte für das Fräulein ein Kostüm mitgebracht und Elanur Simsek bastelte eine Krone. Rosalie Göbel steuerte gar einen kleinen Stofftiger für die Arena bei, so dass die Präsentationen als „mehr als geglückt“ bezeichnet werden dürfen. Man war sich einig, dass Deutschunterricht so durchaus Spaß machen könne und man derartige Unterrichtsphasen künftig noch einmal wagen werde. (S. Ewald)