Am Montag durften die SchülerInnen der Sowi-Kurse der Q2 sich über den Besuch des ehemaligen „Hart aber fair“-Moderators Frank Plasberg freuen. Schon zu Beginn ging Plasberg auf Augenhöhe mit den SchülerInnen, indem er bei der Begrüßung des Schulleiters eine Anekdote aus seiner Schulzeit anführte, nach der er als Abiturient, wenn auch unter dem Pseudonym Frank Gaus (als Hinweis auf seine fehlenden Mathematikkompetenzen), einen Artikel über den Schulleiter verfasste, der diesen zum früheren Pensionseintritt bewegte.
So mit seinen Zuhörern solidarisiert, begab er sich mit ihnen sofort ins Gespräch und sah, wie schon im Vorgespräch angekündigt, von einem Vortrag ab, da er mit den SchülerInnen diskutieren und ihre Ansichten hören wollte. Diese nutzten das gerne, um ihm Fragen zu Journalismus, Meinungsfreiheit und Neutralität der Medien, aber auch zur Rolle der sozialen Medien, der Funktion der öffentlich-rechtlichen Sender für die Demokratie oder zu politischen Themen zu stellen. Herr Plasberg nahm dabei kein Blatt vor den Mund und veranschaulichte mit Anekdoten und Beispielen seine Positionen.
Dabei kritisierte er beispielsweise die heutige Medienbranche dafür, dass sie sich nicht mehr an den vom Spiegelgründer Augstein geäußerten Grundsatz zum Journalismus hielte, zu „sagen, was ist“, sondern stattdessen eher sage „was sein sollte“ und damit nur das Misstrauen gegenüber freien Medien noch mehr schürte. Der Gedanke dahinter sei zwar „ehrenwert, der Branche aber nicht zuträglich“, zumal, so berichtete Plasberg, viele ohnehin schon die Vorstellung hätten, Medien würden staatlich beeinflusst. Hierzu führte er als Beispiel an, dass er immer wieder mit der Vorstellung konfrontiert worden wäre, die Fragen, die er in seiner Show gestellt habe, wären vorher abgesprochen oder gar vorgegeben worden. Hierbei äußerte er sehr deutlich, dass er zum einen nicht Journalist geworden wäre, um die Welt zu verbessern und Aktivismus zu betreiben, und zum anderen in seiner Zeit als Polit-Moderator nie beeinflusst wurde. Dazu verwies er sehr eindrücklich auf ein Beispiel im Zusammenhang der Anschläge auf „Charlie Hebdo“. Er habe am Tag des Anschlags vor zehn Jahren darauf bestanden, noch am gleichen Tag eine Sendung dazu zu bringen – entgegen der Bedenken, man würde damit für die AfD Wahlwerbung betreiben. Das sei für guten Journalismus nicht relevant, denn man solle ja „sagen, was ist“ und nicht „schon vier Schritte weiter denken“, wie es politisch ausgenutzt werden wird.
Auf die Frage eines Schülers hin, ob er sich je durch z.B. politisch motivierte Gewalt bedroht gefühlt habe, verwies er stattdessen auf die PolitikerInnen in Deutschland, denen er hohen Respekt dafür zollte, dass sie sich mit großem Wissen und Engagement für unsere Demokratie einsetzten und sich für selbige heute immer mehr in Gefahr bringen würden. Er kritisierte dabei all diejenigen, die zu schnell mit PolitikerInnen ins Gericht gehen und behaupten würden, sie könnten es besser, wodurch ein kurzer Schlagabtausch zwischen einem Schüler und ihm über unterschiedliche PolitikerInnen entstand, den beide Seite mit Freude aufnahmen.
Zur Frage, ob er sich als Journalist in seiner Einkommensklasse überhaupt noch neutral verhalten könne, räumte er ein, dass er natürlich als Journalist und als Mensch eine Haltung mit in seine Sendungen bringen würde, dass es für ihn aber genau den Reiz des Berufs ausmachte, „in den eigenen Schubladen einmal aufzuräumen“, indem man auch andere Perspektiven kennenlernte.
Als die SchülerInnen auf das Thema Meinungsfreiheit in sozialen Medien zu sprechen kamen, wurde das Gespräch deutlich politischer. Plasberg teilte mit den SchülerInnen sein Gefühl, dass viele Menschen heutzutage Zeitungen wie die SZ hinsichtlich ihrer journalistischen Qualität gleichauf mit sozialen Netzwerken wahrnehmen – was natürlich nicht so sei. Zudem trügen seines Erachtens Zensoren in diesen Netzwerken zu Verschwörungsmythen über Medien noch bei.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs ging es auch um den so genannten Rechtsruck in Deutschland. Es sei wichtig, z.B. AfD-Wähler nicht von oben herab zu moralisieren, sondern stattdessen mit ihnen zu reden, um ihre Absichten zu ergründen. Es sei nachweisbar, dass nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung tatsächlich rechtes Gedankengut habe, dass sich nicht umkehren lasse, der Rest müsse mit seinen Herausforderungen angenommen und auf sie eingegangen werden. Bei einer späteren Frage zur Brandmauer der AfD machte er deutlich, dass moralisierende, politik-taktische Entscheidungen nicht sinnvoll seien, sondern „Einzelfallentscheidungen“ getroffen werden müssten. So wie er Herrn Gauland (AfD Gründungsmitglied) nach seiner Äußerung zum deutschen Nationalsozialismus als „Fliegenschiss in der großen deutschen Geschichte“ nicht mehr in seine Sendungen einlud, andere AfD-Kandidaten und -Abgeordnete aber schon, so müsse man auch „einen Fahrradweg- oder Kitabau“ nicht ablehnen, nur weil ihn die AfD vorgebracht habe. Die ständige Moralisierung der Debatten hätten seines Erachtens erst dazu geführt, dass die Wahlergebnisse der AfD so ausgefallen seien. Er sei „den AfD-Wählern nicht böse, sondern denen, die dafür Platz gemacht haben“, weswegen er Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) hoch anerkenne, dass sie eingeräumt habe, dass die Ampelkoalition ihren Anteil daran hätte, dass die AfD diese Erfolge erzielen konnte.
Auch bei der Frage danach, ob er sich erklären könne, warum die Jugend eher an den Rändern wählen würde, verwies er darauf, dass die politische Mitte es nicht schaffe, klarere Lösungen anzubieten, aber dass es auch in der Natur der Jugend läge, sich vom Altbewährten abzukehren.
In weiteren Fragen der SchülerInnen zu Funktion der Öffentlich-Rechtlichen in einer Demokratie und von „TikTok“ als Informationsquelle zeigte er ebenso Verständnis für die Jugend und lehnte es ab, über „TikTok“ zu urteilen, da er sich damit zu wenig auskenne, und meinte stattdessen, dass er froh sei, wenn „die kurzen Clips zumindest Interesse wecken würden, sich auf anderen Seiten zu informieren“. Dabei empfahl er explizit „0630“, „nice to know“ und „Planet Wissen“ als Podcasts und Informationsquellen, die sich an jüngeres Publikum richteten, „ohne sich dabei anzubiedern“.
Insgesamt zeigte sich Plasberg aus der Sicht der SchülerInnen ungewohnt offen und in seiner Haltung klar. Die Einsichten in die Arbeit als Journalist und die Rolle von Medien in der Demokratie aus erster Hand zu erfahren und mit einer bekannten Persönlichkeit aus der Branche zu diskutieren, machte den SchülerInnen sichtlich Freude, auch wenn nur wenige ihren Gesprächspartner vorher kannten. Dieser, der offen zugab, dass ihm bewusst sei, dass eher die Großmütter der SchülerInnen ihn kennen, nahm das nicht als Hindernis, sondern als Chance wahr, einen Dialog zwischen ganz unterschiedlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu öffnen und hat damit das gelebt, was er selbst von anderen forderte: der Spaltung der Gesellschaft mit Offenheit für andere und „dem Aufräumen der eigenen Schubladen“ entgegen zu treten.
Frank Plasberg machte auch ein Bild von uns, als Beweis für seinen Sohn, dass er heute auch in der Schule war.